Von Julia Anderton
Wer malt, greift meist zu Papier, Pinsel und Aquarellfarben. Im Fall von Nabila Aouragh sieht die Sache etwas anders aus: die 22-Jährige arbeitet mit einer Spritztüte, gelegentlich darf es auch mal eine Spritze mit stumpfer Nadel sein, wenn eine besonders zarte Linienführung gewünscht ist.
Gefüllt ist ihr Arbeitsinstrument mit Hennapulver, das in Verbindung mit ätherischen Ölen für einen satten Braunton sorgt - der ist nicht nur gut sichtbar, sondern auch verträglich, schließlich zeichnet die junge Wiesbadenerin in erster Linie dekorative Blumenmuster auf weibliche Haut.
Etwa zwanzig professionelle Hennamalerinnen gibt es bundesweit und Nabila Aouragh ist eine von ihnen. Unterwegs ist sie in erster Linie im Rhein-Main-Gebiet, wo sie vor allem auf Hochzeitsfeiern, Empfängen anlässlich der Geburt eines Kindes oder beim islamischen Zuckerfest im Einsatz ist. "Es gibt verschiedene Muster, typisch sind die aufwendigen Blumendekors, bei denen das eine in das andere übergeht und mit feinen Punkten und Linien vollendet wird.
Hände und Füße werden am häufigsten verziert
Meistens werden die Hände und Füße bemalt, im Sommer sind auch die Waden dafür beliebt", erzählt sie. "Die Eine oder Andere wünscht aber auch mal den Namen ihres Ehemannes über dem Bauchnabel oder auf der Brust." Um eine Hand zu bemalen, benötigt sie etwa eine Viertelstunde. Es dauert dabei nur wenige Minuten, bis das Muster zu sehen ist. Je länger man das Henna auf der Haut einwirken lasse, desto stärker die Haltbarkeit der Zeichnung - im Durchschnitt etwa zwei Wochen.
Auch auf kulturellen Benefizveranstaltungen ist Nabila Aouragh des Öfteren vertreten. "Hier ist die Nachfrage bei den deutschen Gästen oft sehr groß", freut sie sich über das Interesse. Schließlich ist sie so auch ein Stück weit Botschafterin der marokkanischen Kultur, denn in der früheren Heimat ihrer Eltern war sie schon als kleines Mädchen im Urlaub wiederholt mit der Hennamalerei in Berührung gekommen. "Ich mochte den Duft und die wunderschönen Muster, von denen keines dem anderen glich", erinnerte sie sich.
Mit gerade mal elf Jahren legte sie sich die erste Hennaspritze zu und setzte das Gesehene in die Tat um. "Es lag mir so, dass meine Muster schon von Anfang an gut aussahen. Mit der Zeit habe ich dann den einen oder anderen Trick gelernt." Ihr gefällt nach wie vor das hohe Maß an Kreativität, denn "man kann nichts vorbereiten. Die Farbe wird ohne Vorlagen direkt aufgetragen, was dabei rauskommt, sieht man erst zum Schluss. Hennamalerei ist eine Kulturtechnik, die nur wenige beherrschen, aber es gibt keine Regeln, nach denen gemalt werden soll. Das ist spannend, jede Hennamalerin hat ihre eigene Handschrift."
Warme Farben
Seit einigen Monaten malt Nabila Auouragh ihre Blumenelemente nicht mehr ausschließlich auf Haut, sondern nutzt auch Leinwände für ihre Kunst. "Das Henna lässt sich mit arabischer Kalligraphie in warmen orientalischen Farben sehr gut kombinieren", hat die gelernte Groß- und Außenhandelskauffrau bemerkt. "Auf Papier male ich natürlich auch oft, allerdings eher unbewusst. Andere zeichnen Strichmännchen, bei mir sind es immer Blumenmuster."
Zur Zeit arbeitet die junge Künstlerin hauptberuflich als Vertriebsassistentin, von der Hennamalerei allein kann sie nicht leben - und das will sie auch gar nicht: "Es ist eine Leidenschaft, die ich nie aufgeben könnte und die mich nicht vergessen lässt, woher ich komme."
Quelle: http://www.wiesbadener-kurier.de/region/wiesbaden/wiesbaden-extra/img8018781.htm